Galeriebrief 2/2011

16. April bis 28. Mai 2011

Andreas Christen (1936 – 2006)

Was ist Korruption? Ad Reinhardt äussert sich zum Thema 1961 (Panel Discussion, Scrap, NY): «Ich versuchte darüber nachzudenken, was Korruption ganz allgemein bedeutet. Nun, was wäre Korruption bezogen auf die Kunst? Und meine Antwort würde lauten, es sind die Werke, die zu verfügbar sind, zu ungenau, zu offen, zu poetisch. Ich würde sagen, dass dies zu vielen Leuten erlaubt, ihre eigenen Ideen in das Werk zu projizieren, und ich mag es nicht, wenn Kunst derart offen ist, dass in einem bestimmten Moment alles möglich ist, fast ein jeder so etwas machen könnte. Ich denke, diese ganze Idee ist korrupt. Ich meine, die Vorstellung eines Künstlers, der uns glauben machen will, er wüsste nicht was er tut, ist eine korrupte Vorstellung.»

Korruption und Opportunismus waren Gesprächsstoff, der uns tagtäglich umtrieb. Die Feststellung entsprechender Belege im Kunstbetrieb und deren Analyse schärfte, durchaus lustvoll, die Eigenwahrnehmung. Der Zwang zur Präzisierung künstlerischer Argumente war eine ständige und fruchtbare Herausforderung. Dass der Marktplatz über die Jahre immer schärfer ein aktives Veralten künstlerischer Überzeugungen als Strategie einsetzt, macht das Einstehen für überlegt und sicher getroffene Entscheidungen immer anspruchsvoller. Andreas Christen wollte lebenslang genau und immer genauer wissen, was er als Künstler und was er als Gestalter tat. Seine frühen Arbeiten, 1959 bis 1964, sind treffsichere Meisterstücke, informiert durch neue Materialien und neuartige Produktionsmethoden. Der Schritt vom Bild zu einem dreidimensionalen Wandobjekt war die notwendige Konsequenz seiner künstlerischen Zielsetzung. Diese Werke waren in jeder Hinsicht zeitgemäss. Sie gehören zu den innovativsten und wichtigsten Leistungen des schweizerischen Kunstschaffens in einer Zeit radikalen Umbruchs. Aber dabei sollte es nicht bleiben. Das Erreichte sollte so nicht ausgeschlachtet, monopolisiert werden. Mit Unterbrüchen, lebensbedingt, zeitbedingt, ging ein schöpferischer und intellektueller Arbeitsprozess weiter, um die Dinge, die Objekte richtig zu denken, um diesen dem gemäss das richtige Aussehen in allen Aspekten zu geben. Tauglichkeit war gemeint, für Funktionen, die in Kunst und Design grundsätzlich verschieden sind.

Die Form als Einzelereignis, die ein stetes Erfinden und Variieren von weiteren Formen erfordert, was nur in engen Grenzen möglich ist, ersetzte Andreas durch eine Struktur. Solche Generalisierung, die der Individualisierung des Formereignisses entgegengesetzt ist, verlegte den Schwerpunkt auf die eigentliche Thematik seines Werkes. Eine einfache Struktur, bestehend aus alternierenden positiven und negativen gleichartigen Elementen, erzeugt eine irritierende Vielfalt von Wahrnehmungsmomenten und sich verändernden Formzusammenhängen. Licht und Schatten konstruieren in exemplarischer Weise Räumlichkeit. Andreas begriff seine Werke gleichsam als Instrumente, die in das Kontinuum von Raum eingreifen und Raumerfahrung erlebbar machen. Die abstrakte Gestalt dieses Werkzeuges macht die Bedingungen räumlicher Wahrnehmung anschaulich. Schliesslich gelang es ihm in den letzten zehn Jahren seines Lebens für Probleme, mit denen er sich lange beschäftigt hatte, die gültige Lösung zu finden. Weder Bilder noch Reliefs, finden die Werke zu ihrer definitiven Form. Und die Aura des Kunstwerkes? Sie wird transformiert in eine lebendige Einheit von Licht, Schatten und Raum.

Ausstellungen

Rita McBride | Public Sculpture
Mae West, Effnerplatz München | www.ritamcbride.net

November 16, 2008 – 2033
Sol LeWitt
A Wall Drawing Retrospective

Yale University Art Gallery and Williams College Museum of Art