Galeriebrief 4/2003

22. November 2003 bis 31. Januar 2004

FRED SANDBACK (1943-2003), Gedenkausstellung
«My feeling persists that all of my sculpture is part of a continuing attitude and relationship to things.» (Mir bleibt das Gefühl, dass meine Skulptur mit einer beständigen Einstellung und Beziehung zu den Dingen zu tun hat.) Fred Sandback, 1986.

Fred Sandback war ein scheuer, kontemplativer Mensch. Gross, bärtig, freundlich und stabil – dieser erste Eindruck täuschte. Fred Sandbacks Verletzlichkeit und Schutzlosigkeit bestimmten sein Leben. Wenig verband ihn mit dem Kunstbetrieb gegenwärtigen Zuschnitts. Aktualität schuf er dort, wo er seine Skulpturen baute. Ein hohes Mass von Gegenwart vermitteln seine Werke dem Betrachter, der sie an Ort und Stelle zu begehen hat. Der Preis für diese Gegenwart ist jedoch ihre Vergänglichkeit. «Once the work was done, it was done, whereas I had a continuing need to disrupt that permanence that I had wanted. Perhaps indeed, I have nomadized my existence.» (War die Arbeit getan, so war sie getan, wohingegen ich das andauernde Bedürfnis hatte, diese Beständigkeit aufzuheben, die ich gewollt hatte. Vielleicht habe ich tatsächlich meine Existenz nomadisiert.) Fred Sandback, 1986.

Obschon der Dialog mit vorgegebenen, bestehenden Räumen wesentlichen Anteil an der Vollkommenheit dieser Kunstwerke hat - Spiegel der ungewöhnlichen künstlerischen Intelligenz des Autors - bleiben uns auch nach dem Tod von Fred Sandback autonome, wichtige Skulpturen erhalten. Die Bezeichnung «Installation artist» hat er immer von sich gewiesen.

Bereits 1966 stellte er seine erste Skulptur aus Bindfaden und einem Stück Draht her: die Kontur eines rechteckigen Körpers, 2" x 4", auf dem Fussboden. Die Limitierung durch das verwendete Material und das damit eng verbundene begrenzte Formenvokabular führte keineswegs zu einem künstlerischen Reduktionismus. Zunächst folgte die illusionistische Setzung geometrischer Körper. Die aufmerksame Beobachtung der schrittweisen präzisen Veränderungen in der Materialwahl - Stahl, Gummischnur, Acrylgarn - und der Behandlung von Form und Raum gestattet es, den Weg zum Eigenen und Essenziellen zu sehen und zu estimieren.

Ein reiches zeichnerisches und grafisches Schaffen begleitet die Arbeit mit und an den Skulpturen, und seit Mitte der neunziger Jahre entstand zusätzlich die Werkgruppe der Holzreliefs.

«Illusions are just as real as facts, and facts are just as ephemeral as illusions.» (Täuschungen sind ebenso wirklich wie Tatsachen und Tatsachen sind ebenso vergänglich wie Täuschungen.) Diese Bemerkung von Fred Sandback im Hinblick auf seine Skulpturen, die zwar Volumen aber weder Masse noch Material aufweisen, versteht Täuschung nicht als Verführung, sondern als Erfahrung einer tatsächlichen räumlichen Situation. Die Werke machen den Vorgang transparent, der die Konstruktion von Ort und Identität ermöglicht.

Fred Sandback hat nie grosse Worte gemacht. Mit seinem feinen Humor hat er seinen Kommentaren ihren Stellenwert zugewiesen. Seine Skulpturen verkörpern und vermitteln, was es zu erkennen gibt.

Die Dauer seines Lebens hat Fred Sandback selbst bestimmt. Seine schwere Depression hat zuletzt seine ihm so nahe stehende Frau Amy und seine besten Freunde ausgeschlossen. Unvorstellbar sind uns das Leiden und die Einsamkeit, die ihn zum endgültigen Abschied befähigten.