Galeriebrief 4/2004

26. November 2004 bis 5. Februar 2005

JOSEPH EGAN (1952* Scranton, Pennsylvania, USA)
RICHARD FRANCISCO (1942* St.Helena, Napa Valley, USA)

Es ist die Intention der Ausstellung, zwei Künstler im Dialog zusammenzuführen. Sie repräsentieren einen wichtigen Teil des Galerieprofils. Beiden gemeinsam ist eine Poetik der erzählerischen Form. Dies klingt verfänglich. Eine Aussage des grossen polnischen Dichters Zbigniew Herbert vermag zu klären und zu präzisieren, wie das gemeint ist: «Ich untersuche einen Gegenstand, nicht mich, versenke mich in etwas, das sich ausserhalb von mir befindet. Sich in etwas versenken heisst es durchdenken, es mit den Augen in sich aufnehmen, die merkwürdige Erfahrung machen, dass etwas ausserhalb von mir existiert. Das philosophische Erstaunen darüber, dass da etwas ist, während ich bin.» (in «Sinn und Form» 5, 2004)

Beide Künstler öffnen, mit jeweils anderen Mitteln und Verfahren, einen Bild- und Zeitraum, der gesättigt ist mit Erfahrungen, Erinnerungen und Assoziationen. Basis ihres Schaffens ist der Bezug zur Kunstgeschichte. Denn Kunst ist eine bestimmte Sicht der Wirklichkeit, total und ausschliesslich.

Ihre Arbeit tun sie nicht auf der Bühne oder für die Bühne des Kunstbetriebes. Noch immer halten sie fest am intimen und abgeschirmten Arbeitsraum, dem Studio. Dies ist in Anbetracht ihrer Biographien nicht selbstverständlich. Dem aus Pennsylvania stammenden Joseph Egan ist nach Lern- und Wanderjahren erst vor kurzem Zürich zum definitiven Aufenthalts- und Arbeitsort geworden. Auch der Kalifornier Richard Francisco ist in frühen Jahren weit und viel gereist. Glücklicherweise besitzt er seit langem einen bescheidenen Loft in New York, Studio und Heimstatt in einem.

Das einzige grossformatige Bild von Richard Francisco, 183 x 244 cm, hat bei ihm während zweier Jahre viel Raum, Lebensraum, beansprucht. Die Ausstellung war Anlass dazu, die unabschliessbare Arbeit zu beendigen und das Werk zu entlassen. So dominiert es nun die Werkgruppe, die von ihm in Zürich zu sehen ist. «Quintets» heissen die bemalten, fünfteiligen Papierreliefs, «Untitled» sind alle anderen, feinmaschigen Arbeiten auf Papier. Der Dichter Francisco äussert sich nicht mit Worten, obschon gelegentlich Notierungen, Scribbles irgendwo auf den Blättern Spuren des Alltags hinterlassen. Die formale Organisation aller Arbeiten erinnert an Mandalas, Hilfsmittel zur Meditation und zur Selbstfindung. Doch die komplizierte und komplexe Struktur ist auch ein Programm. Ein Zeit- und Arbeitsprogramm, das es dem Künstler erlaubt, jederzeit und immer wieder ein- und auszusteigen, sich zu disziplinieren, oder sich gehen zu lassen. Dies entspricht seiner Lebensverfassung und seinem Lebensgefühl.

Joseph Egan's gegenwärtige Arbeit nährt sich sozusagen von Erinnerungen, taktilen, farblichen, atmosphärischen. Der erfahrene und leidenschaftliche Blick des Malers sammelt sie, legt sie ab, und verdichtet die reichen Vorräte. Viele kleine Leinwandobjekte, preziös und widerständig zugleich, komprimieren und evozieren visuelle Ereignisse, die sich irgendwo finden liessen und hier wiederum ihre Verkörperung erfahren, in verändertem Massstab, aber real und gegenwärtig.

Kann es ein grösseres Kompliment für einen Maler geben, als das Glücksgefühl und das Erstaunen des Betrachters, der hier eine Welt wiederfindet, die ihm bekannt und zugleich unbekannt ist und die er hier und jetzt im Werk zu lokalisieren vermag?