Galeriebrief 4/2010

26. Oktober bis 27. November 2010

Autumn Leaves
James Bishop (1927*), Joseph Egan (1952*), Richard Francisco (1942*), Robert Mangold (1937*), Giulio Paolini (1940*), Sylvia Plimack Mangold (1938*), Fred Sandback (1943-2003), Jerry Zeniuk (1945*)

«Was ist die Bedeutung eines Wortes? Wir wollen die Frage angreifen, indem wir zuerst fragen, was die Erklärung der Bedeutung eines Wortes ist; wie sieht die Erklärung eines Wortes aus ?» (Ludwig Wittgenstein  Das Blaue Buch)

Wie sieht die Erklärung des Wortes «Kunst» aus? Ist davon auszugehen, dass der blosse Hinweis auf einige oder viele Objekte die Bedeutung dieses Wortes zu exemplifizieren vermag? Wohl kaum. Vielmehr sind benennbare Kandidaten oft Anlass zu Disput und Dissens, zuweilen stiften sie Konsens und willkommenes Einvernehmen. Kunst hat eine verlässliche Referenz aufgegeben. Werke in Objektform und ein Bezug zur Kunstgeschichte entfallen als notwendige Bedingung. Trotzdem bleibt die Konnotation von exzellenten Attributen resistent. Der besondere Status von Kunst wird oft umstandslos vom Werk auf die Person des Künstlers übertragen. Auffallend ist die Häufigkeit und Selbstverständlichkeit mit der die Zuschreibung des Wortes in Gebrauch gekommen ist. Die Alltäglichkeit des Gebrauchs hat es entlastet und entleert. Die Mutation des Wortes Kunst zur Leerstelle, verfügbar und flexibel, ist zeitgemäss. Doch diese Leerstelle ist attraktiv und begehrt. Viel wird eingesetzt, um diese Benennung in Anspruch nehmen zu können, denn die Konsequenzen sind erheblich. Das imaginäre Feld, von dem die Rede ist, kann auch als unmarkiertes Potential beschrieben werden, dem es lediglich an Selektivität und Eingrenzung gebricht.

Galerien sind verständlicherweise wichtige Teilnehmer an dem Spiel, das sich um diese Leerstelle, dieses Potential dreht. Funktion und Zweck ihrer Tätigkeit sind zwar mehr oder weniger definiert, ihre Existenz an einen gewissen ökonomischen Erfolg gebunden. Doch die Galerie hat die Chance und die Möglichkeit, der besagten Leerstelle ein Gesicht mit eigenem Ausdruck einzuschreiben. Persönlich und komplex, verwoben mit der eigenen Biographie und trotzdem nicht arbiträr. Ist der Zeithorizont nicht zu knapp bemessen, kann Tiefe und Substanz, Treue und Loyalität den Zeitgeist ins Abseits drängen. Der lange Atem ist diesbezüglich nicht zu unterschätzen.

Autumn Leaves ist der leicht melancholische Titel unserer Ausstellung. Von acht Künstlern, die zwischen 1971 und 1992 zur Galerie gestossen sind, werden Werkgruppen gezeigt. Es sind acht eigenwillige Künstlerpersönlichkeiten. Ihr Schaffen lässt sich nicht unter einem gemeinsamen thematischen oder gar stilistischen Nenner zusammenfassen. Die Ursache ihres Zusammen-treffens ist die Verbundenheit mit der Galerie. Als Teilnehmer am zeitgenössischen Kunstgeschehen sehen wir unsere Tätigkeit als eigenständige und kreative Konstruktion, als präzise Manifestation unserer Vorstellungen, Erfahrung und Sensibilität. Stringenz und Verbindlichkeit stehen gegen Beliebigkeit, Kunst und Erfahrung ermöglichen Kunsterfahrung.

Aktuelle Ausstellungen

18.11.2010 – 10.4.2011
Richard Tuttle, «Triumphs»,
Dublin City Gallery, Dublin

31.10.2010 – 27.2.2011
«Die Natur der Kunst»,
Kunstmuseum Winterthur

27.8.2010 – 30.1.2011
«ganz konkret»
Haus Konstruktiv, Zürich

16. November 2008 – 2033
Sol LeWitt
A Wall Drawing Retrospective

Yale University Art Gallery und Williams College Museum of Art