Galeriebrief 4/2011

25. August bis 15. Oktober 2011

Joseph Egan (*1952 Scranton, Pennsylvania, USA)
across the board

Nimmt der Begriff Kunst konkrete Gestalt an, so ist die Erscheinungsweise der Objekte oder aber das Resultat der künstlerischen Bemühungen durch eine Mannigfaltigkeit von Funktionen geprägt. Manche Erwartungen, die als selbstverständlich und verbindlich unterstellt werden, entsprechen vor allem den Präferenzen oder Repräsentationsbedürfnissen jener Gruppen von Teilnehmern am Kunstgeschehen, die dieses zum Zeitpunkt der Beobachtung dominieren und in Anspruch nehmen. Selbstverständlich ist dies eine Vereinfachung, abstrakt und undifferenziert, doch ist sie in mancherlei Hinsicht hilfreich. Die angesprochenen Präferenzen sind selten fest umrissen und haben naturgemäss keinen absoluten Wert, keine unabsehbare Dauer. Sie können manipuliert, revidiert und ersetzt werden. Die globale Kunstszene hält viele Möglichkeiten, viele Bühnen bereit. Die Akteure können mehr oder weniger erfolgreich sich oder ihre Arbeit vielerorts sichtbar machen, und eine unübersehbare Vielfalt von Ausdrucksformen müssen ihre Beglaubigung kaum noch erkämpfen. Zahlreiche Funktionskreise berühren sich und manchmal überschneiden sie sich. Die Gegenwartskunst, ihre Manifestationen, Institutionen und Museen sind ohne Zweifel eine aktuelle und zeitgemässe Erfindung und Einrichtung. Der Kunstbereich ist aber auch einem Gelände vergleichbar, das glücklicherweise aus Schichten besteht, die sich über lange Zeiträume gebildet und überlagert haben und weiterhin verfügbar bleiben. Die Wurzeln etwas tiefer zu setzten markiert einen berechtigten Widerstand gegen Beliebigkeit und Ersetzbarkeit durch den Strom des Geschehens.

Die Beschäftigung mit der Arbeit von Joseph Egan erfordert die Bereitschaft, sich nicht von landläufigen und autoritären Behauptungen vereinnahmen zu lassen. Kunst als Lebensform und als unverzichtbarer Bestandteil des Lebensvollzugs ist fast in Vergessenheit geraten. Aber gerade hier liegt ihr tiefstes Angebot und es lohnt sich, einen längeren Weg auf sich zu nehmen. Damit ist angedeutet, dass das Zeit- und Gechichtsverständnis des Künstlers Joseph Egan der schmalen Spur von Aktualität wenig angepasst ist.

Lebensform enthält den Terminus Form. Dass Form und das Bestreben, die Dinge zu formen den hohen  Stellenwert eingebüsst haben, der in der Geschichte der philosophischen Aesthetik als unantastbar galt, ist ein seltsames und fragwürdiges Phänomen, das sich im gegenwärtigen Kunstschaffen überall manifestiert und sich als eigentliche Qualität ausgibt. Denn immerhin vermittelt die Form die Wirklichkeit der Ding- und Lebenswelt und die Materie bedarf der Form, um anschauliche Bedeutung anzunehmen. Die gesellschaftliche Relevanz ästhetischer Schöpfung ist gleichsam zum blinden Fleck geworden. Ein Mangel, der offenbar weder bemerkt noch bedauert wird.

An diesem Ort arbeitet Joseph Egan und die Werke sind Zeugnis und Erfüllung einer intensiven und kontinuierlichen Tätigkeit. Sicher wird ein solcher Auftrag von keiner Kunstszene formuliert und von keinem Markt erteilt, doch braucht der Sinn dieses Tuns keinen weiteren Nachweis.

«across the board» ist die nunmehr achte Einzelausstellung seit 1992 in unserer Galerie. Die Arbeitsweise des Künstlers überschreitet tatsächlich Grenzen. Materialien und Techniken werden in ungewöhnlicher Weise eingesetzt und, hat man diese Werke einmal gesehen, dann weiss man, dass sich «board» auch wörtlich verstehen lässt, als strukturierendes Element und Modul. Die alltägliche Herkunft des Materials, der Assoziationsreichtum der Fundstücke wird durch die gesättigte Sinnlichkeit der Malerei zu einem Ganzen integriert. Es sind verdichtete Erinnerungen, Gefühle, Erlebnisse, die in diesen Objekten ihre Verkörperung erfahren.

Ausstellungen

Antonio Calderara,
22. Mai bis 18. September 2011,
Museum Ritter, Sammlung Marli Hoppe-Ritter, D-71111 Waldenbuch

Rita McBride | Public Sculpture
Mae West, Effnerplatz München | www.ritamcbride.net

16. November 2008 – 2033
Sol LeWitt
A Wall Drawing Retrospective

Yale University Art Gallery and Williams College Museum of Art