Galeriebrief 5/2010

4. Dezember 2010 bis 12. Februar 2011

David Rabinowitch (1943* Toronto, Kanada, lebt seit 1972 in New York)
Birth of Romanticism Drawings

Dass der Gebrauch eines Kunstwerkes dessen Bedeutung konstituiert ist eine folgenschwere Beobachtung. Ohne eine weitere Präzisierung mag sie als kritische, reduktionistische oder als realistische und affirmative Feststellung durchgehen. David Rabinowitch geht davon aus, dass ein genau definierter «Gebrauch» des Kunstwerkes durch den Betrachter eine fundamentale Voraussetzung für dessen Konstruktion ist. Dem Betrachter mit seinen Möglichkeiten des Erkennens und visuellen Erfassens wird eine zentrale Rolle zugestanden.

Die Überzeugung, dass ein Kunstwerk als eigenständige Konstruktion sinnvoll ist, bindet das künstlerisches Kredo von Rabinowitch an die Tradition der Moderne und die Form und Beschaffenheit seiner flachen Bodenskulpturen, die seit den frühen sechziger Jahren entstehen, rückt diese zumindest in die Nähe der damaligen Avantgarde. Was den Künstler aber von den meisten seiner Zeitgenossen unterscheidet, ist die Genauigkeit und Ernsthaftigkeit mit der er seine Vorgehensweise in Angriff nimmt und legitimiert. Für eine extensive Werkgruppe von Zeichnungen, die seit 1969 entsteht, hat er die Bezeichnung «Construction of Vision» gesetzt. Letztere beschreibt ein Konzept, welches auf sein gesamtes Schaffen zutrifft. Die Wahrnehmung des Werkes ist eine Konstruktion des Sehens, welche den Standpunkt, oder besser die verschiedenen Standorte des Betrachters mit der formalen Struktur und den vielen Erscheinungsweisen des Werkes verbindet.

Es versteht sich von selbst, dass vorerst der Künstler gleichermassen als Schöpfer und als Beobachter fungiert. Die radikale und selbstständige Ausformulierung dieser zentralen Problematik visuellen Gestaltens ist schon früh wahrgenommen worden. Die zahlreichen monografischen Ausstellungen von David Rabinowitch in Museen, die Einladungen zu internationalen Veranstaltungen und zur Documenta, sowie die vielen Publikationen legen davon Zeugnis ab. Trotzdem ist er ein bekannter Unbekannter geblieben, gerade weil seine Werke und die Einsichten, die diese bereitstellen, an eine Rezeption am Ort des Geschehens gebunden bleiben.

Unübersehbar ist die Rolle der Zeichnung, die dem Künstler die Möglichkeit bietet, jederzeit und erschöpfend seiner künstlerischen Thematik neue und unerwartete Wege zu eröffnen. Über die Jahre sind umfangreiche Zyklen von Arbeiten auf Papier entstanden. Die Überschreitung von Grenzen und Einschränkungen erweist sich hier als stimulierender schöpferischer Anstoss. Die «Birth of Romanticism Drawings», 2008 bis 2010, sind ein vitales und energiegeladenes Zeugnis dieses Vorgehens. Nie hat der Künstler bisher soviele Elemente, soviel Spontaneität schneller Entscheidungen in eine letztendlich konsistente Ganzheit integriert. Alle Attribute dieser Arbeiten, Farbe, Collage, Stofflichkeit und Linien, mittels Schablonen erzeugte und gesteuerte Ovale, Kreise und Muschelformen erwecken den Eindruck von Beschleunigung, von Räumlichkeit und Taktilität. Ein gleichsam sprunghaftes visuelles Erfassen wird in Gang gebracht. Entsprechend der Vielfalt und Differenziertheit der internen Struktur ist die äussere Begrenzung dieser Arbeiten variiert. Tondos und Ovale, Quadrate, Rechtecke und weitere Formen werden Teil des bildnerischen Geschehens.

Eine Publikation zur Ausstellung «Birth of Romanticism Drawings» mit einem Text von Erich Franz ist in Zusammenarbeit mit der Peter Blum Gallery, New York und dem Richter Verlag, Düsseldorf entstanden. Parallel zu unserer Schau präsentiert die Peter Blum Gallery vom 20.November 2010 bis zum 22.Januar 2011 ebenfalls Arbeiten dieser Werkgruppe.

Die Annemarie Verna Galerie hat seit 1977 neun Einzelausstellungen des Künstlers gezeigt.

Ausstellungen

18.11.2010 – 10.4.2011
Richard Tuttle, «Triumphs»,
Dublin City Gallery, Dublin

31.10.2010 – 27.2.2011
«Die Natur der Kunst»,
Kunstmuseum Winterthur

16. November 2008 – 2033
Sol LeWitt
A Wall Drawing Retrospective

Yale University Art Gallery und Williams College Museum of Art