ANDREAS CHRISTEN

OPEN SPACE

19. März bis 11. Mai 2002
 

Dem Raum weist der Künstler und Gestalter Andreas Christen, geboren 1936, einen primären Stellenwert zu. Räumlichkeit erscheint ihm als eine Realität erster Ordnung. Gegenstände entfalten sich im Raum, den sie akzentuieren und vermessen. Vom Menschen gemachte Gegenstände repräsentieren die kulturellen Leistungen, die die Welt bewohnbar machen. Kunstwerke und Gebrauchsgegenstände beanspruchen und deuten den Lebensraum. Andreas Christen hat die fundamentale Bedeutung des Raumes zum Ausgangspunkt seines Schaffens und seiner Reflexionen gemacht. Zuweilen bezeichnet er seine Werke als das Rüstzeug, um über Raum zu diskutieren.

Diese Arbeiten greifen in das Kontinuum räumlicher Erfahrung ein, das gleichsam unterbrochen und strukturiert wird. Isoliert und begrenzt werden räumliche Eigenschaften thematisiert. Die Wahrnehmung als unbewusster Vorgang tritt ins Bewusstsein des Betrachters. Bedingungen räumlichen Wahrnehmens werden anschaulich. Das Objekt umschliesst kein Volumen und ebensowenig schliesst es Raum aus. Es verweigert sich allen weiteren Projektionen und Sinnzuweisungen.

Seit gut zehn Jahren verwendet der Künstler als Material seiner Werke MDF-Platten. Die Einzelteile werden zusammengefügt und bleiben so als Fläche autonom. Die sich durchkreuzenden Ebenen bilden Linien, die nicht illusionistische Flächenteilungen sind, sondern reale Faktoren eines ganzheitlichen räumlichen und formalen Geschehens. Die fertigen Objekte sind geschliffen und weiss gespritzt, so dass ihre Materialität zugunsten eines einheitlichen visuellen Eindrucks zurücktritt. Lichtbedingte Abschattungen definieren die geneigten Flächen deutlich und werden als Basisbedingungen räumlichen Sehens evident.

 

Der Neigungswinkel der Flächen, deren formale Gliederung und Repetition sowie die Grösse der Einzelteile und deren Verhältnis zum ganzen Objekt sind wichtige Gestaltungsmittel. Dazu kommt in den letzten Jahren der Einsatz der Begrenzung des Objektes zur Artikulierung der unendlichen Ausdehnung des Raumes. Die Begrenzung ist oft als Fragment bestimmt, als Ausschnitt einer übergreifenden Struktur. Oder aber der Beschnitt folgt der Quadratstruktur eines Werkes und lässt den umgebenden Raum an Randzonen in das Objekt eingreifen. Das Ineinandergreifen von formaler Binnenorganisation und Umraum verweist so auf die virtuelle Fortsetzung der Struktur im unendlichen Raum.

Sowohl für den Künstler wie für den Produktgestalter Andreas Christen gibt es unhintergehbare Leitlinien und Axiome. Ethik und Ästhetik bedingen sich gegenseitig und funktionieren wechselseitig als Korrektiv. Genauso ist ein ausgeglichenes und verpflichtendes Verhältnis von Individuum und Kollektiv Grundlage akzeptabler gesellschaftlicher Lebensumstände. Im besten Fall kann der Künstler und der Gestalter an solchen Schnittstellen Wichtiges bewirken und anstossen.

Diese Ausstellung ist die achte Einzelpräsentation von Werken von Andreas Christen bei Annemarie und Gianfranco Verna. 1994 erarbeitete Dr. Dieter Schwarz für das Kunstmuseum Winterthur eine Retrospektive, welche anschliessend vom Fonds Régional d’Art Contemporain de Bourgogne, Dijon, dem Musée des Beaux-Arts, La Chaux-de-Fonds und dem Josef Albers Museum, Quadrat, Bottrop, gezeigt wurde (Katalog).

Gianfranco Verna