GIULIO PAOLINI

«Reportage»

Ausstellung in der Galerie Annemarie Verna vom 26. Mai bis 15. Juli 2000
 

Giulio Paolini wurde 1940 in Genua geboren. Seit 1952 lebt er in Turin und seit einigen Jahren auch in Paris.

Bereits 1964 fand seine erste Einzelausstellung in Rom statt und 1973 begann die Zusammenarbeit des Künstlers mit der Annemarie Verna Galerie. Diese erste Einzelausstellung in der Schweiz war auch eine der ersten Ausstellungen des Künstlers ausserhalb Italiens.

’Reportage’ heisst die Installation, die gegenwärtig zu sehen ist. Es ist die achte Einzelpräsentation des Künstlers in der Galerie. Er hat über die Jahre viele Ausstellungen weltweit in wichtigen Museen und Kunsthallen bestritten, etwa im Stedelijk Museum Amsterdam, dem Musée d’Art Moderne in Paris, dem Museum of Modern Art und dem Guggenheim Museum in New York, der Staatsgalerie Stuttgart und in der Schweiz im Kunstmuseum Luzern und im Kunstmuseum Winterthur. 1998 zeigte die Neue Galerie im Landesmuseum Joanneum, Graz, eine umfangreiche Retrospektive, welche 1999 in veränderter Form in der Galleria Civica d’Arte Moderna e Contemporanea in Turin eingerichtet wurde.

Die aktuelle Kunstgeschichtsschreibung sieht in Paolini einen der wichtigsten Exponenten der ’Arte Povera’, ein Etikett, das seiner intelligenten und differenzierten Arbeitsweise jedoch kaum gerecht wird.

Seine selbstreflexive Kunstausübung, die nun schon über vierzig Jahre sein Werk bestückt, gleicht einem fortdauernden Gespräch über Kunst. Im Verlaufe dieses Gespräches entstehen Beschreibungen und Umschreibungen von grosser Schönheit und Leichtigkeit. Diese lockeren und präzisen Gebilde, die oft nur andeuten und dem Geheimnis immer seinen Raum lassen, erzeugen gleichsam einen ästhetischen Eigen- und Mehrwert. Es wird zwar über etwas gesprochen, ein Sujet wird eingekreist und ausgedeutet, aber was sich mitteilt und einprägt, ist die Faszination dieser Dialoge, durch welche mehr und mehr die Figur des Künstlers entsteht, als Ausgangspunkt und als Resultat, als Konstruktion, welche sich in der Konstruktion der Perspektive, der fiktiven Räumlichkeit wiederspiegelt.

Der Künstler ist also eine fiktive Figur, welche im Werk reale Gestalt annimmt und so lange lebendig bleibt, wie es ihm gelingt, den Dialog, der einem Monolog mit Echo gleicht, weiter zu führen.

Er erschafft sich seinen Platz in der Kunst und in der Kunstgeschichte, einem Koordinatensystem, das Basis und Rahmen seiner Tätigkeit bereitstellt. Die Bühne seines Auftritts öffnet er dem Betrachter, der zur Teilnahme eingeladen zum Mitakteur wird.

Das Werk ’Reportage’ ist ein ’Selbstbildnis’ des Künstlers, als sein eigener Betrachter. Es nimmt die zwei sich gegenüber liegenden grossen Galerieräume in Anspruch. In den vier Buchobjekten ’Pagine’ entfaltet der Künstler eine Beschreibung der Beschreibung von Kunst.


Gianfranco Verna