RITA MCBRIDE

Servants and Slaves

Ausstellung in der Galerie Annemarie Verna vom 3. Oktober bis 23. November 2002
 

Der markante Ausstellungstitel setzt die Reihe der Überschriften fort, welche die Werkpräsen-tationen der Künstlerin jeweils benennen und selbstbewusst voneinander abgrenzen: 'Aloof and Incidental' (Mai 36 und Verna Galerie, 1999), '472 New Positions' (De Pont Foundation, Tilburg NL, 2001), 'Naked Came The Stranger' (Kunstmuseum Liechtenstein, 2002).
 
Rita McBride bespielt die Ausstellungsorte. Das Ereignis ist einmalig und unwiederholbar. Die Werke sind dabei die Akteure, übermitteln Fremdheit und Vertrautheit gleichermassen. Sie sind identifizierbar, denn sie gleichen ihren Verwandten im wirklichen Leben, jedenfalls durch die begriffliche Brille betrachtet. Es sind aber gewichtige Abweichungen offensichtlich. Im Gegensatz zu den Namensvettern verweigern sie die Ausübung jeglicher Funktion. Dies ist umso drastischer, als ja Funktionalität sie zu legitimieren scheint. Bezeichnung und Bezeichnetes gehen deutlich verschiedene Wege. Eine nominalistische Pointe sozusagen. Aber auch weit mehr, nämlich eine äusserst fruchtbare Komplikation, die kritische Reflektion und Interpretation erst auslöst. Dank dieser Dissoziation werden Eigenwert und Spiegelbildlichkeit der Skulpturen als starke Metaphern wahrnehmbar. Status und Verfügungsmacht des Künstlers, des Werkes und des Kunstraumes werden eingesetzt und zur Disposition gestellt.

Rita McBride, geboren 1960 in Des Moines, Iowa, arbeitet als Plastikerin und nimmt auch Lehraufträge wahr. Sie setzt Material, Form und Volumen ein und versucht, ihre Erfahrungen zu vermitteln. Material und Oberflächen ihrer Objekte sind Ausdruck von Annäherung oder Verfremdung. In gleicher Weise nutzt sie die Massstäblichkeit und den Modellcharakter ihrer Arbeiten. Diese simulieren Gleichartigkeit oder entziehen sich durch Reduktion.
 
Rita McBrides kritisches Interesse gilt der Architektur, der Raumplanung und der Formgestaltung des Modernismus. Den Idealismus der künstlerischen und politischen Ansprüche dieses wegweisenden Projektes vermag sie nur noch als pervertierten Nachgeschmack auszumachen. Ein tragisches und komisches Scheitern, das paradoxerweise Entlastung anbietet und Offenheit möglich macht. Die Institution Kunst ist zwar eine unwahrscheinliche Option in einer instrumentalisierten Lebenswelt, doch erscheint sie erneut nutzbar als glaubwürdige und sinnvolle gesellschaftliche Instanz.
 
Seit 1999 wird Rita McBride von den Galerien Mai 36 und Annemarie Verna gemeinsam vertreten. Dies ermöglicht es, in einer ungewöhnlich dichten Ausstellungsreihe das Werk einer herausragenden Künstlerin in seinen komplexen Facetten zugänglich zu machen.

Gianfranco Verna