REE MORTON (1936-1977)

Ausstellung in der Galerie Annemarie Verna vom 12. September bis 4. November 2000
 

1997 zeigte die Galerie Werke aus dem Nachlass der jung verstorbenen amerikanischen Künstlerin Ree Morton. Damit waren zum ersten Mal Arbeiten der Künstlerin in Europa zu sehen. Schwerpunkt bildete das raumgreifende «Souvenir Piece» von 1973. Dass dieses Werk sich jetzt in der Sammlung eines europäischen Museums befindet, darf als besonderer Lichtpunkt gewertet werden. Denn dank dem Enthusiasmus für aktuelles Kunstschaffen ist vor lauter Künstler-innen der Blick auf die Kunst als ein ausgreifendes Netzwerk, in welchem profilierte und originäre Leistungen in einem weiteren Zeithorizont zu verorten sind, beinahe verstellt. Die unmittelbare Aktualität mit ihrem Markt- und Starsystem hat ihren Preis.

Als Ree Morton 1977 in Chicago an den Folgen von Verletzungen, die sie sich bei einem Autounfall zugezogen hatte, verstarb, lagen sieben Jahre künstlerischer Aktivität hinter ihr. Ihr Werk hatte eine fulminante Entwicklung aufzuweisen, und die Kunstszene der 70er Jahre in New York wurde auf ihre Präsenz aufmerksam. Freundschaften verbanden sie mit Künstlerinnen und Künstlern ihrer und einer älteren Generation. Ree Morton war auf dem Wege, eine einflussreiche Figur zu werden. Einige Ausstellungen in angesehenen Institutionen, so im Whitney Museum of American Art, belegen dies.

Ree Morton hatte die frühen siebziger Jahre als grosse Chance wahrgenommen. Fundamentale Veränderungen waren kurz vorher durchgesetzt worden. Dies konnte als strenges neues Dogma angesehen oder als stimulierender und offener Freiraum aufgefasst werden. Für Ree Morton war eindeutig letzteres der Fall. Ihre Kunst ist spontan und ironisch, aber auch intelligent und reflektiert. Kennzeichnend sind Installationen, in welchen verschiedenste Medien und Materialien integriert sind.

Ihre Kunst ist spontan und ironisch, aber auch intelligent und reflektiert. Kennzeichnend sind Installationen, in welchen verschiedenste Medien und Materialien integriert sind. Der Sprache kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Wörtlichkeit und poetische Verfremdung entwerfen komplexe Grundrisse und Bedeutungssysteme. Orte werden gleichsam mit Wort und Bildobjekten beschildert oder Plätze werden in Form von verschlüsselten Installationen markiert.

Eine feministische Thematik durchwirkt in feiner und vielschichtiger Ausprägung das gesamte Schaffen. Dies lässt sich auf die fast phänotypische Biografie zurückführen, was der Künstlerin selbst sehr bewusst blieb. Sie war einer bürgerlichen Existenz als Ehefrau, Mutter und Krankenschwester entflohen und hatte in der Kunst ihrer Gegenwart eine neue und eigene Identität gefunden: «I figured out that life matters, too, and that being an artist is better than being a nurs. Not bad for a girl.»

Soeben hat das Robert Hull Fleming Museum der University of Vermont anlässlich der Ausstellung «The Mating Habits of Lines – Sketchbooks and Notebooks of Ree Morton» eine hervorragende Publikation über den schriftlichen Nachlass der Künstlerin vorgelegt. Dies ermöglicht ein fundiertes und anschauliches Studium der künsterischen Selbstfindung von Ree Morton. Ein willkommener Anlass, um das Werk einer bedeutenden Künstlerin anhand von wichtigen Arbeiten von 1971 bis 1977 erneut zur Diskussion zu stellen.

Wir danken dem Estate von Ree Morton, Allan Schwartzman, sowie Alexander und Bonin,
New York für ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit.


Gianfranco Verna