Galeriebrief 2/2009

18. April bis 3. Oktober 2009

Sol LeWitt (1928–2007) Wall Drawing Scribble # 15, 2007
bis September 2009
Sol LeWitt (1928–2007) Werke auf Papier und Strukturen 1966 – 2005

Zeit und Zeitlichkeit sind in eigentümlicher Weise mit den Wall Drawings von Sol LeWitt verbunden. Zeit ist ein guter Leitbegriff, um sich das Besondere, das Ereignishafte dieser epochalen Erfindung zu vergegenwärtigen.

1968 zeichnete Sol LeWitt seine erste Wand Zeichnung auf eine Wand der Paula Cooper Gallery in New York. Zeitpunkt und Kontext sind kein Zufall. Eine ungewöhnliche gesellschaftliche, kulturelle und künstlerische Konstellation ermöglichte Innovationen und Verschiebungen ausserhalb einer deterministischen, kunstimmanenten Entwicklungslogik. Mediale Gehäuse und Formen erwiesen sich als schwach und brüchig. Sie wurden attakiert, demontiert, für obsolet erklärt. Taten und Fakten sollten zukunftstaugliche Umstände schaffen. Dass Sol LeWitt seine Arbeit nicht aus dem Studio in die Galerie brachte, dass er die Wand der Galerie in Anspruch nahm, das Werk an Ort und Stelle ausführte und eine Entfernung nach Ausstellungsschluss vorgesehen war, all das waren Vorgänge und Gesten, die das Verhältnis des Künstlers zu seinem Werk, zu Zeit und Raum einerseits und andererseits zur Galerie und zum Museum veränderten. Ausstellungs- und Funktionsangebote wurden nachhaltig erweitert und unterlaufen. Bald wurde die Ausführung der Wall Drawings den Draftsmen oder Assistenten überlassen, was dem Konzept eine weitere, wesentliche Dimension anfügte.

Kunst auf Zeit, die den Gegensatz von Permanenz und Vergänglichkeit anders angeht, neu aufmischt? «The Wall Drawing is a permanent installation, until destroyed. Once something is done, it cannot be undone.» (S.L. 1970) Anfänglich genügte eine knappe Beschreibung der Wand Zeichnung auf einem Din A4 Blatt, eine eigentliche Gebrauchsanweisung. Später begleitet ein Zertifikat mit exaktem Diagramm jedes Wall Drawing. Diese Notation oder Partitur verleiht dem Werk eine unbegrenzte Lebensdauer. Auch in Bezug auf den Standort entfaltet sich ein Paradox. Der Ort ist äusserst wichtig und unwichtig. Der architektonische Raum ist der Resonanzraum jeder temporären oder permanenten Installation.

Ein solches Original ohne Original besetzt bis Anfangs Oktober einen der grossen Ausstellungsräume der Galerie. 2006 und 2007 hat Sol LeWitt eine Anzahl schwarz-weisser Wall Drawings konzipiert. Mit feinem Graphitstift zeichnet der Assistent ein in seiner Struktur sehr freies, chaotisches Liniennetzwerk. Diese Linienknäuel erzeugen ihrerseits eine, von Dunkel zu Hell und wieder zu Dunkel abschattierte, illusionistische Räumlichkeit. Mit aller Deutlichkeit weisen aber Wand und Struktur diese Räumlichkeit zurück. «I wanted to do a work of art as two-dimensional as possible.» (S.L. 1970)

Mit Graphitstift hat Sol LeWitt seine ersten Wand Zeichnungen ausgeführt. Am Ende seines Lebens hat er wieder für diese unmittelbar zeichnerische Vorgehensweise Projekte geschaffen.

1975 konnten wir erstmals eine Einzelausstellung mit Sol LeWitt zeigen. Installationen seiner Wall Drawings begegnete der Besucher 1984, 1988, 2001 und 2004 in unseren Galerieräumen. Die Freundschaft und Loyalität dieser feinen und bedeutenden Künstlerpersönlichkeit hat viel dazu beigetragen, dass wir auf nunmehr vierzig Jahre Galeriegeschichte zurückschauen. In berührender Weise rückt so Lebenszeit ins Blickfeld. Die neue Wand-Zeichnung «Scribble» # 15 ist bis zum 23.Mai das Zentrum einer kleinen Hommage an Sol LeWitt. Bis zum 3.Oktober bleibt sie Mittelpunkt weiterer Aktivitäten: «Räume» bietet die Gelegenheit, Werkgruppen von Künstlern zu sehen, die das Profil und die Geschichte der Galerie mitgeprägt haben.

Ausstellungshinweise

16. November 2008 – 2033
Sol LeWitt
A Wall Drawing Retrospective

Eine Zusammenarbeit zwischen Yale University Art Gallery, MASS MoCA, und dem Williams College Museum of Art

Neue Öffnungszeiten:

Mittwoch bis Freitag:
14.00 bis 18.00 Uhr
Samstag: 11.00 bis 14.00 Uhr