Galeriebrief 2/2015

15. Mai bis 4. Juli 2015

Sol LeWitt (1928-2007)  40 Jahre bei Annemarie Verna Galerie
Ausstellung Teil I / Ausstellung Teil II

Wall Drawing 1180, 2005
10’000 black straight lines and 10’000 black not straight lines within a four-meter circle.
Installiert April 2015 von Nicolai Angelov.

«Arcs and Lines», die 51 Zeichnungen von Sol LeWitt in korrekter Anordnung und Abfolge präsentiert, benötigten voll und ganz die Wandflächen der kleinen Galerieräume an der Mühlegasse 27. Die Vernissage der Ausstellung am 16. Oktober 1975 war für uns und für die Geschichte der Galerie ein grosses und bedeutendes Ereignis. Bedenkt man die weitere, über Jahrzehnte sich entwickelnde Zusammenarbeit mit Sol LeWitt, der zu unserer Eröffnung kam, so war diese Einschätzung in jeder Hinsicht zutreffend.

Am 18. Oktober 1975 beanspruchten in Basel zwei weitere Vernissagen die Aufmerksamkeit jener Kunstfreunde, die das Potenzial und die Innovationskraft der Arbeit von Sol LeWitt richtig einzuschätzen vermochten. Rolf Preisig zeigte in seinen Räumen an der Rheinfelderstrasse drei Wand Zeichnungen und in der Kunsthalle wurden das grafische Oeuvre und die «Incomplete Open Cubes» vorgestellt.
Gemeinsam mit Rolf Preisig und Marilena Bonomo verlegten wir zu diesem Anlass das Artist Book «Lines & Color»; es wurde in Zürich gedruckt. Damit ist ein weiteres Anliegen von LeWitt angesprochen, das ihn zeitlebens beschäftigte. Das Künstlerbuch, wie er es verstand, ist ein Kunstwerk in Form eines Buches oder Büchleins, einfach hergestellt und erschwinglich.

In Erinnerung bleibt auch eine skeptische Besprechung in der Zürcher Presse. Kritisch evaluiert wurde der Auftritt von Sol LeWitt in der Basler Kunsthalle, die Ausstellungen der beiden Galerien wurden aber nur am Rande erwähnt. Wie sich da seit einigen Jahren zumal amerikanische Künstler die Erneuerung der Kunst vorstellten stiess auf wenig Verständnis. Es war ein beschränkter Kreis von Enthusiasten, der diesen Konzepten und Arbeiten die Qualität eines neuen und gültigen Entwurfs attestierte. Die Beteiligung von zwei jungen Galerien wurde als eine konzertierte Aktion zur hiesigen Etablierung einer Künstlerkarriere eingestuft.

Dem Rezensenten musste ein Aspekt des «Systems» Sol LeWitt verschlossen bleiben, der für uns Quereinsteiger von immenser Tragweite war. Die Kunst von Sol LeWitt war weit mehr als das Tun eines einzelnen, selbstermächtigten Akteurs, des Künstlers. Ziel und Absicht der künstlerischen Arbeit waren keineswegs die pure Akkumulation und Verbreitung von Artefakten, die der Kunstmarkt seinerseits einer vertikal ausgerichteten Bedeutungs- und Preisskala unterwerfen sollte. Man könnte das entsprechende Kunstinteresse als ein Verhalten beschreiben, das der Künstler anstiess und repräsentierte und das man mit ihm teilte. Die Exklusivität des Kunstsystems und des Kunstwerkes sollte mit mehr Inklusion unterlaufen werden.

Sol LeWitt mochte es, wenn viele Teilnehmer durchaus in verschiedenen Rollen seine Arbeit beglaubigten, ja, in der ihnen zustehenden Weise davon profitierten. Auf seine Loyalität, seine Unterstützung, seine selbstverständliche Fürsorge durften wir immer und jederzeit zählen. Den Machtansprüchen des Kunstbetriebes und den Schemata der Kunstkritik hat er sich lebenslang entzogen.

Ausgangs- und Mittelpunkt des «Systems» Sol LeWitt blieb jederzeit Sol LeWitt. Das Studio war der Ort intensiver und konzentrierter Tätigkeit. Es brauchte die fast tägliche Handarbeit um die Veränderungen auszulösen, die der intendierten Ausbreitung des Werkes Spannung und Lebendigkeit bewahrten und die Familie der Konzepte und Erfindungen weiter wachsen liess.

Seit 1975 haben wir vierzehn Einzelausstellungen präsentiert und dies an vier verschiedenen Galerieadressen. Sieben Wall Drawings wurden so in unseren jeweiligen Räumlichkeiten installiert. Eine Wand Zeichnung von 1987 (installiert 2013) und eine solche von 2005 (installiert 2015) sind zur Zeit an der Neptunstrasse zu besichtigen.

Dass wir über die Jahre viele Wall Drawings (Sol LeWitt hat an diesem Begriff immer festgehalten) vermitteln konnten, die permanent an ihrem Standort zu sehen sind, ist besonders wertvoll und befriedigend. Aber auch für Ausstellungen von Sol LeWitt in öffentlichen Institutionen konnten wir häufig Hilfe und Unterstützung anbieten und die grosse Resonanz ist nie ausgeblieben.

1977 erfolgte die Herstellung eines dreidimensionalen Hauptwerkes von Sol LeWitt, «Cubes with Hidden Cubes» , das wir im Auftrag des Künstlers veranlassten und verantworteten. Der Qualitätsbetrieb für Metallverarbeitung von Rudolf Lehni in Dübendorf bei Zürich übernahm die Ausführung. Diese grosse Arbeit beanspruchte die gesamte Fläche unseres Ausstellungsstandes an der Art Basel im selben Jahr. 1978 wurde das kapitale Werk dann als Leihgabe der Sammlung FER an der Retrospektive des Künstlers im Museum of Modern Art in New York gezeigt.

Sol LeWitt nahm in den darauf folgenden Jahren gerne unsere Zusammenarbeit in Anspruch, wenn es darum ging einzelne Arbeiten oder ganze Werkgruppen zu produzieren. Der Meisterschreiner Peter Giger in Gontenschwil fertigte Strukturen und «Complex Form Structures» an. Kazuko Miyamoto in Manhattan baute vielteilige grossformatige Werke, die Sol LeWitt unserer Galerie anvertraute. «Four Tower Structure» von 2007 gehört heute als Ankauf dank Mitteln der Petzold Müller Stiftung zur Sammlung des Kunstmuseums Basel.

Auch sind wir als Verleger zahlreicher Editionen von Grafiken aufgetreten. Dabei ist «Complex Forms» von 1990 einer besonderen Erwähnung wert, erschienen in kleiner Auflage als Portfolio und in Buchform als Leporello; eine Zusammenarbeit mit Brooke Alexander, New York.

Ausstellungen

Jerry Zeniuk, Vor Ort,
Haus der Kunst, Solothurn,
15. August bis 18. Oktober 2015

Ree Morton, Centro de Arte Reina Sofia, Madrid , 19. Mai – 28. Sept. 2015
Video zu dieser Ausstellung

Richard Tuttle, Zeichnungen 1969–1989 / Werke 1965–2003,
Kunstmuseum Winterthur,
Januar – Juli 2015

16. November 2008 – 2033
Sol LeWitt
A Wall Drawing Retrospective

Yale University Art Gallery and Williams College Museum of Art