Galeriebrief 3/2006

18. Mai bis 8. Juli 2006

RICHARD TUTTLE (*1941 USA), Talks Looks Walks - Three Windows.
Die grosse Retrospektive, die 2005 in San Francisco, dann in New York gezeigt wurde, ist immer noch unterwegs. Des Moines, Dallas, Chicago und 2007 Los Angeles sind die weiteren Stationen. Ausstellung und Katalogbuch bezeugen ein Lebenswerk. Kunst, die nicht im Sog des Augenblicks verschwindet. Das Sehen, Wiedersehen der Werke, die Entfaltung des Gesamtwerkes, substantiell und unabgeschlossen, sind Anlass zum ungewöhnlichen Kunstereignis. Die Begegnung mit einer unwahrscheinlichen Meisterschaft.

Unsere Ausstellung setzt wieder Neues, dem durch eine Beschreibung nicht vorgegriffen werden darf. Deshalb dieser Text von 1990, geschrieben für den Katalog des ICA, Amsterdam:

"Folgenschwer ausgehaucht wurden die 60er Jahre, ein neuer Atem den 70ern vorangestellt. Keine künstlerischen Revolutionen standen an, Anschlüsse an Respektables und Respektiertes mussten gefunden werden. Entgrenzt schien das Handwerk der Kunst und des Lebens. Die heroischen Kategorien 'Malerei' und 'Skulptur' und die heroischen, legendären Künstler-Vitas waren abhanden gekommen, unverfügbar. Zwischen Performance und Ausstellung entstand ein Kraftfeld, für neue Medien und Künstlerfiguren, die sich als Wanderprediger und Kunsterbringer solch freies Leben leisteten. Namen und Erzeugnisse umwebte ein Geheimnis, zwischen Idee und Werk. Eine definierte Werkgestalt entschwand. Die Faszination einer neuen Zugänglichkeit wirkte verführerisch. Ueberraschung und Abenteuer waren die Gebote der Stunde. Nichts liess sich durch ein traditionell bürgerliches Kulturestablishment vereinnahmen. In diesem Klima entstand das Gerücht von einem geheimnisvollen Glücksbringer, der genau wusste, wo und wie er seine oft kaum sichtbaren, fragilen Interventionen anzubringen hatte. 1969 erschien sein Name in der sagenhaften Ausstellung der Berner Kunsthalle. 1972 nachhaltiger und kräftiger im Kunstraum München. Zeittypisch ist, dass sich beide Ausstellungen in Leitz-Ordnern niederschlugen. 1970 wies ein Cover von Artforum und 1972 ein solches von Arts Magazine prominent auf den damals Dreissigjährigen hin. Seine Werke bestanden mehr und mehr aus flexiblen, beweglichen Materialien, ohne feste Form und Positionierung. 1972 dann, Documenta, die Drahtarbeit(en): eine Offenbarung. Hier waren Objekte, die einerseits völlig selbstverständlich, einleuchtend und rundheraus aus sich selbst bestanden, andererseits aber immer die eigene Zerstörung in sich trugen. Wesentlich war immer der Ort für diese Dinge, welche eben aus diesem Ort und für diesen Ort ihre Präsenz entwickelten. Welche Ansprüche versteckten sich hier, zwischen aktueller Zeit und Ewigkeit ?

1974, anlässlich unseres Umzuges in neue Räume im Zentrum von Zürich , war Richard bereit, Neues mit Neuem zu verbinden. Die 'Heavy Wire Pieces', eines für jede Wand, waren die Werke dieser ersten Ausstellung in unserer Galerie (17.Mai – 28.Juni 1974). Klar war, dass dies der Anfang eines gemeinsamen Weges war, der jeden vorgegeben Konsens vermeidet. Wer hier zu folgen versucht, der kann dies nur als Weggefährte, immer einige Schritte zurück, um sich so das Unbekannte anzutun. Es gilt, das zu erfahren, was noch nicht ist und nicht unbedingt sein kann."

Ausstellungshinweise

Richard Tuttle – Domaine de Kerguéhennec, Bignan, France 15.4.–18.6.06
Joseph Egan – careful, careless, tried and true, Elisabeth-Schneider-Stiftung, Freiburg/Breisgau Deutschland 8.4.–15.7.06